Okinawa Kobudo

Man kann nicht über die Vergangenheit von Kobudo sprechen, ohne sich an die Geschichte zu erinnern. In der Samuraizeit gab es eine kleine Insel, "Okinawa". Sie war unter der Führung von Kaiser Kagoshima. Um Aufstände zu vermeiden, befahl er seinen Bürgern all ihre Waffen abzugeben. Aus dieser Situation heraus begannen die Okinawer, ihre einfachen Werkzeuge des täglichen Gebrauchs als Waffen einzusetzen. So begann sich die neue Selbstverteidigung "Kobudo" zu entwickeln.

In Kata, welche zur Tradition Okinawas gehört, nutzt man bis heute diese Alltagswerkzeuge. Sie wurden ein wenig verändert, um ihrem neuen Zweck noch besser gerecht zu werden. In der heutigen Zeit der Schusswaffen haben solche Geräte keinen großen Nutzen für die Verteidigung mehr, und so liegen die Ziele beim Betreiben dieser Kampfkunst mehr beim Erhalt der Tradition und bei der Persönlichkeitsentwicklung.

Die Entstehungsgeschichte der Linie wird am besten durch den kleinen Lebenslauf des Begründers Shinko Matayoshi beschrieben. Er gründete den "Okinawa Kobudo International" Verband. In Okinawa gibt es zwei grundsätzliche Linien im Kobudo. Eine Linie kann bis zu Todi Sakugawa Kanga (1762 - 1843) zurückverfolgt werden. Die andere Linie hat ihren Ursprung bei Shinchin Matayoshi, Ukikata Agena und Oh Irei. Sie waren die Lehrer von Shintoku, Shingi und Shinko Matayoshi.

Shinko Matayoshi (1888-1947)

Der Stammvater des Kobudos, Shinko Matayoshi, dritter Sohn von Shinchin, geboren 16.01.1888 in dem Stadtteil von Kakinohana-cho in Naha-shi. Seine Kindheit verbrachte er in dem Stadtteil Chintan-son. Zu dieser Zeit studierte er den Bo, das Eku, das Kama und die Sai unter Meister Shokuho Agena von Gushikawa-son. Später lernte er durch Meister Oh Irei, namens Gitodemosghigoa, das Tunkwa und die Nunchaku-Technik in einem Stadtteil von Nozato (Chatan-son) kennen. Anfang des Jahrhunderts reiste Shinko um seine Kenntnisse zu verbessern durch Hokkaido, Salchaline, Mandchourie, Shanghei und Annan. In Mandchourie lernte er einen Straßenräuber kennen. Dieser lehrte ihn das Reiten und den Umgang mit Messern und dem Lasso. In Shanghei studierte er die Kunst des "Tinbei", "Suruchin","Nunti" und die ganze chinesische Medizin wie z.B. Akupunktur unter Meister Kingai. Danach reiste er nach Fukushu und lernte Shorin Kenjutsu. Im Jahre 1935 kam er wieder nach Okinawa zurück und zog dort nach Naha, um die neu erlernten Techniken mit anderen Meistern zu studieren. In der ganzen Welt wurde er Mateshi Senbaru genannt, was soviel bedeutet wie der Mann mit der "Sichelhand". Im Jahr 1947 starb er im Alter von 59 Jahren.

Shinpo Matayoshi (1923 - 07.09.1997)

Sohn von Shinko, führte die Arbeit seines Vaters fort. Er unterrichtete in mehreren Städten Japans und kehrte 1960 nach Okinawa zurück. Er ist Inhaber des 10. Dan Kobudo und Goju-Ryu. Sein Nachfolger ist Yoshiaki Gakiya, der mit der Unterstützung von Kenichi Yamashiro und Seisho Itokasu die Linie weiterführt.

Kenyu Chinen (*21.07.1944)

Geboren in Okinawa erlernte er das Shorin-Ryu Karate von Shugoro Nakazato und später von Miyahira Katsuya. Kobudo erlernte er von Matayoshi Shimpo. 1976 ging er nach Frankreich, um dort zu unterrichten. Er gründete die Oshu Kai International (OKI.) Im Buch "Kobudo Okinawa" schreibt er folgendes über seine Ziele:
"Für die, die lernen oder lehren empfehle ich, ihre Ziele zu überdenken. Kobudo soll heute nicht als Kampfwaffe gesehen werden, sondern als Weg des Friedens und der Harmonie aller Menschen. Meine Erwartung ist, dass alle Übenden dieses Prinzip weitergeben. Mein Ziel als Kobudo Meister ist es, die Kampfkunst in Europa zu verbreiten, ohne dabei die traditionellen Werte zu verlieren."

 

Kata und Waffen des Kobudo

Die Kunst des Bo (auch "Konpo" genannt)

BoAls Material wurde "Kuba" (Holz einer Palme) benutzt. Es ist ein flexibles und solides Holz, das in der Umgebung von Okinawa zu finden ist. Die Mitte des Bo ist das stärkste Teil des Stockes, der zu den Enden hin dünner wird. Es gibt drei Standardgrößen: sechs Fuß, vier Fuß und drei Fuß. Zusätzlich gibt es aber auch noch Sondergrößen, wie zum Beispiel acht, neun und dreizehn Fuß. Letztere wurde auch Bajo Bo genannt (Pferde Stock).
Der Bo war ein wichtiges Hilfsmittel für die alltäglichen Arbeiten in der damaligen Zeit. Er wurde von allen Schichten genutzt, egal ob Bauer, Handwerker oder Verkäufer. Aufgrund der weiträumigen Verbreitung des Bo entwickelte sich die Waffenkunst mit dem Arbeitsgerät. Anfangs hatten nur die Beamten (Polizei) diese Kunst gelernt und auch angewandt. Danach entwickelten die Bauern, Handwerker, Verkäufer und Fischer viele und gute Techniken mit dem Bo. Er wurde zu einer Waffe, die der Verteidigung diente. Es ergab sich eine Vielfalt verschiedener Kata, die im Chinesischen Boxen Ihren Ursprung haben. Der Bo hat den größten technischen Anteil im Kobudo.
Basis Kata sind: SHUSHI NO KON; CHOUN NO KON; SAKUGAWA NO KON; TSUKEN BO; TSUKEN NO KON; SOEISHI NO KON; SHISHI NO KON; YONEGAWA NO KON; UTTONBO; HAKUTARU NO KON; YARA NO KON; TSUKUMINE NO KON und KUBO NO KON, CHIKIN BO.
Sensei Chinen schrieb in seinem Buch folgendes über den Bo:
"Der Bo ist eine lange Waffe, für die man viel Übung braucht, um die verschiedenen Techniken in Zusammenhang mit der Harmonie des Körpers zu beherrschen. Was man auf keinen Fall vergessen darf ist, dass der Geist und die Technik eins sind. Der Wunsch des Gründers dieser Kunst war die Verbindung des Geistes mit der einzelnen Technik. Jede Bewegung beruht auf persönlicher Erfahrung jedes einzelnen. Eine ernste Überlegung zur Funktion der Technik des Gegners, die Schwierigkeit sie zu beherrschen und die gebrauchte Kraft für diese zu beherrschen. Dies alles fordert einen starken und geraden Geist. Mein Wunsch ist, dass die Bo Technik mit tiefer Humanität entwickelt wird. Und dass unser Körper und Geist so flexibel und leidenschaftlich wie der sechs Fuß Bo wird. Die Entwicklung der Menschen sollte in diese Richtung laufen."
 

Sai

Das Sai, wie es von den Kobudomeistern aus Okinawa benutzt wurde, war aus Eisen und hatte ein Gewicht von ca. 0,5 -0,75 kg. Die Länge der Waffe (ca. 45 - 55 cm) ergibt sich in Abhängigkeit von der Armlänge des Benutzers. Es hat einen dickeren Schaft, der zum Ende hin spitz zuläuft. Eine Handbreit vom dickeren Ende entfernt treten zwei geschwungene Gabeln als Handschutz hervor, die spitz zulaufen.
Da in vielen teilen Asiens das Sai als Waffe und Arbeitsgerät genutzt wurde, ist es schwierig den genauen Ursrungsort zu bestimmen. In Okinawa wurde jedoch der Umgang mit dieser Waffe perfektioniert. Bei den Fischern auf Okinawa war das Manji-Sai (die Gabelspitzen zeigen in verschiedene Richtungen) ein Arbeitsgerät, um die Netze hereinzuholen. Da dieses Gerät dringend benötigt wurde, konnte es von den Japanern im 16. Jahrhundert nicht verboten werden. Da es auch einem Schwert standhalten, ja sogar die Klinge brechen konnte, nahm das Sai eine wichtige Stellung in der Selbstverteidigung der Okinawer ein.
Es werden in unserer Linie vier Kata geübt: SAI-KIHON-ICHI, SAI-DAI-ICHI, SAI-DAI-NI (Sanchosai), CHINBARU NO SAI.
 

Tonfa, Tuifa, Tongwa

Das Tonfa besteht aus einem langen Schaft, der die Länge des Unterarms und der offenen Hand hat (ca. 37 - 50 cm) und einem runden Griff mit Knauf (ca. 15 cm, an die Hand angepasst), der senkrecht in den langen Schaft, eine Handbreit vom Anfang, eingelassen ist. Es wurde ein sehr robustes Hartholz verwendet, das auch ein Schwert nicht so einfach zerschneiden kann.
Der Ursprung der Waffe liegt wahrscheinlich in China. Dort wurde es zuerst als Kurbel für einen Mühlstein, also als Arbeitsgerät eingesetzt, und später auch zur Verteidigung. Da es sich beim Tonfa um einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand handelte, war es für die Okinawer eine sinnvolle Erweiterung ihrer Selbstverteidigungswaffen.
Es werden in unserer Linie drei Kata geübt: TONGWA-KIHON-ICHI, TONGWA-DAI-ICHI und TONGWA-DAI-NI.
 

Nunchaku

Nunchaku übersetzt bedeutet zwei gleiche Holzteile. Zwei Harthölzer in der Länge des Unterarms des Benutzers mit einer Schnur oder Kette verbunden, die so lang wie eine Handbreit ist. Die Hölzer sind kantig oder rund und werden zu den Enden hin dicker. Man erreicht eine hohe Geschwindigkeit (240 km/Std.) und dadurch eine große Aufschlagskraft, die locker ausreicht, um einen Körper zu verletzen. Aufgrund eines vielseitigen Missbrauchs in Deutschland ist diese Waffe ein verbotener Gegenstand und darf weder verkauft noch besessen werden (Waffengesetz).
Auch diese Waffe hat Ihren Ursprung in China. Deren Anwendung wurde im Kampf gegen die Samurai von den Okinawern verfeinert. Die Waffe als Dreschflegel verkannt wurde nicht verboten. Sie war handlich und effektiv und wird auch deshalb heute noch mit großer Vorsicht gelehrt.
Es werden in unserer Linie zwei Kata geübt: NUNCHAKU-DAI-ICHI und NUNCHAKU-DAI-NI.
 

Kama

Eine kurzgriffige Sichel. Die scharf gebogen Metallklinge ist rechtwinklig an einem Holzgriff befestigt. Sie ist ca. 15-17 cm lang und hat ein spitzes Ende. Der Stock hat ungefähr die Länge des Unterarms.
Da die Bauern das Arbeitsgerät zur Ernte benötigten war der Besitz erlaubt und somit einer der wenigen scharfen Gegenstände, die den Samurai gefährlich werden konnten. Das Kama wurde auch an ein Bo angebracht oder mit einem Suruchin verbunden. Selbst als Wurfgeschoß eignete sich das Kama. Die Gefahr, sich mit der Waffe selbst zu verletzen, ist hoch und wird deswegen erst nach einiger Erfahrung mit anderen Waffen gelehrt.
Es werden in unserer Linie die Kata KAMA NUTI geübt.
 

Jo

Die Waffe ist ein Holzstab mit einem Durchmesser von 2,5 bis 3cm mit einer Länge von ca. 1,20m. Der Stab sollte jedoch an den Körper angepasst werden. Die Länge entspricht dem Abstand zwischen Fuß und Achselhöhle. Die Technik lehnt sich an den Schwertkampf an. Die Waffe konnte als Spazierstock getarnt überall hin mitgenommen werden.
Die Kata in unserem Stil heißt JO JUTSU KATA.
 

Eku

Das Ruder der Fischer war ca. 1,60 m lang. Der runde Griff von ca. 1m Länge hat einen Durchmesser von rund 3cm. Der Paddelteil hat eine klingenähnliche Form auf einer Breite von 9cm. Zu den beiden Seiten hin wird das Holz dünner. Das Ende des Paddels ist zugespitzt. Die ersten Eku waren aus weißer Eiche oder rotem Ahorn und wurden mit Tierfett oder Pflanzenöl versiegelt. Später wurde die japanische rote Eiche verwendet.
Aus dem Arbeitsgerät des Fischers wurde eine wirkungsvolle Waffe. Ohne als Waffe erkannt zu werden konnten die Fischer das Eku überall hin mitnehmen. Es war so robust, dass ein Schwert oder Speer der Samurai es nicht mit einem Schlag zerschneiden konnte. Der Griff des Ruders wurde wie ein Bo und das Paddelteil wie eine Axt eingesetzt.
Es werden in unserer Linie die Kata CHIKIN HAKASHU NO EKU DI geübt.
 

Sansetsukon

Der dreigeteilte Stock hat seinen Ursprung in China. Jedes Teilstück ist ungefähr so lang wie der Arm und hat einen Durchmesser von ca. 2,5-3,8cm. Die Holzteile sind mit Metallringen verbunden, deren Geräusche den Gegner einschüchtern sollen. In Okinawa wurden auch Schnüre und Lederriemen eingesetzt, um gerade die Geräusche zu verhindern und so unauffällig die Waffe mit sich führen zu können. Der Vorteil der Waffe liegt in der veränderbaren Reichweite und darin, immer drei Möglichkeiten für Angriff oder Block zu haben.
Es werden in unserer Linie die Kata HAKUHO geübt.
 

Nunti-bo

Diese Waffe ist eine Kombination des Bo und des Manji-Sai. Es wurde von den Fischern als Speer für den Fischfang eingesetzt. Die Entwicklung zur Waffe wurde sicherlich von China stark beeinflusst. Die Okinawer entwickelten jedoch ihre eigene Methodik mit dem Speer umzugehen. Mit hoher Präzision eingesetzt war es eine wirkungsvolle Waffe gegen die Samurai.
Es werden in unserer Linie die Kata NUNTI KATA geübt.
 

Tinbei

ist ein Holzschild, das groß genug ist, einen in der Hocke befindlichen Menschen abzuschirmen. Mit einer Machete bewaffnet wehrte man Angriffe von Speeren ab. Der Kämpfer musste sehr flexibel in seinen Bewegungen sein. Abrollen mit dem Schild am Arm war eine Standardübung.
Auf Okinawa gab es auch noch ein anderes Schild, das aus einem hölzernen Behälter für die Reisernte entwickelt wurde. In Verbindung mit dem Rochin, einem kurzen Stock mit einer kleine Klinge, wurde diese Waffenkombination auch gegen das Schwert eingesetzt. Später wurde dieses Holzschild durch den Panzer der Riesenschildkröte ersetzt, der sehr widerstandsfähig gegen die Schlageinwirkung der Waffen ist.
 

Suruchin

Diese Waffe ist eine Schnur oder Kette, ca. 1,50-3m lang, mit Gewichten aus Stein oder Metall an den Enden.
Zur Tarnung wurde das Suruchin wie ein Gürtel um den Bauch gebunden. Im Kampf versuchte man dem Gegner die Beine damit wegzuziehen oder dessen Waffe zu umwickeln und zu blockieren. Um die Reichweite des Suruchin zu tarnen wurde die Kette doppelt gegriffen und im richtigen Moment einfach eingesetzt.
 

Kue

Mit der Hacke des Bauern wurden auch wirkungsvolle Verteidigungstechniken entwickelt. Der Holzstil ist ungefähr 1m lang. Das rechtwinklig abstehende, rechteckförmige Metallteil hat die Fläche einer Hand. Auch diese Waffe hatte den Vorteil überall hin mitgenommen werden zu können.
In unserem Stil wird die Kata KUE NO KATA geübt.